Nachwuchsforschungsgruppe | FAIRRMeDIC
Hintergrund
Real-World-Evidenz (RWE) wird generiert aus Studien mit nicht-randomisierten Daten, vor allem sogenannten Real-World Daten (RWD), die routinemäßig im Gesundheitssystem erfasst werden, wie beispielsweise in medizinischen Datenintegrationszentren (MeDICs). Obwohl das Potenzial von RWE und RWD für die klinische Praxis anerkannt ist, ist es aufgrund unterschiedlicher methodischer Strenge entsprechender Studien schwierig zu bestimmen, ob diese kausale Schlussfolgerungen über Behandlungseffekte liefern können. In diesem Zusammenhang wird in einem aktuellen Beitrag im amerikanischen Ärzteblatt JAMA die Qualitätsprüfung und Bewertung von Reliabilität, Relevanz und fehlenden Daten, sowie die Anpassung von Algorithmen zur Erhöhung der Validität gefordert1. Forscher und Gutachter sollen systematisch bewerten können, ob RWD für den Gebrauch geeignet sind, indem sie Verifizierungsprüfungen zur Bewertung der Reliabilität durchführen.
Real-World Daten sind besonders sensibel und bedürfen eines intensiven Schutzes, welcher speziell in MeDICs oberste Priorität haben muss. Änderungskontrollprozesse, wie sie beispielsweise in klinischen Studien oder der Pharmakologie angewendet werden, können hier einen entscheidenden Beitrag leisten. Bei der Datenherausgabe muss der Schutz vor Re-Identifikation priorisiert werden. Dies zeigt sich sehr deutlich in einer Studie zum Re-Identifikationsrisiko von Daten zu Covid-19 Fällen, die in Portugal von staatlicher Seite zu Studienzwecken freigegeben wurden2.
Ziele
Die NWG konzentriert sich auf folgende Ziele:
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Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Rahmen wissenschaftlicher Methodenentwicklung und -evaluation in einem MeDIC
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Erweiterung der “FAIR” Prinzipien um „Reliability“ bezüglich MeDIC-Daten und -Metadaten
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Quantifizierung des Re-Identifikationsrisikos z.B. im Rahmen von Datennutzungsanträgen
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Integration erweiterter Änderungskontrollprozesse für die Datensicherheit
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Implementierung einer multimodalen Nutzer-Plattform
Das primäre Ziel der Nachwuchsgruppe ist die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs. Um dies zu erreichen, wird eine wissenschaftliche Methodenentwicklung und Evaluation für ein medizinisches Datenintegrationszentrum (MeDIC) unter den aktuellen Aspekten der realen Umsetzung eines MeDIC durchgeführt.
Ein MeDIC hält und verarbeitet zum Teil hochkomplexe multidimensionale Daten. Sowohl die Komplexität als auch das Datenvolumen nehmen mit neuen Analyse- und Behandlungsmethoden der personalisierten, z.B. molekularen Medizin, immer mehr zu. Daher müssen die methodischen und technologischen Konzepte angepasst und weiter entwickelt werden. Darauf basiert der Forschungsgegenstand der FAIRRMeDIC-Nachwuchsgruppe. Dabei sollen die FAIR Prinzipien „Findable, Accesible, Interoperable, Reusable“ strikt beachtet und im Sinne von „Reliable“ erweitert werden. In der Literatur zeigte sich bei entsprechender Recherche, dass sich nur wenige Arbeiten mit reliablen medizinischen Daten beschäftigt haben, oder gar eine Erweiterung der FAIR Prinzipien bedachten. Um zuverlässige Daten zu bekommen und entsprechende Datenanalysen zu ermöglichen, muss eine Validierung der Daten erfolgen. Dies bedeutet vor allem die Qualität der Daten zu erfassen und wissenschaftlich zu beurteilen.
Das MeDIC der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) arbeitet strikt mit pseudonymisierten Daten, die Datenextraktion und Nachnutzung der Daten ist grundsätzlich geregelt. Wie sich jedoch
Personen re-identifizieren lassen, wenn umfangreiche medizinische Daten integriert und analysiert werden, ist noch nicht ausreichend untersucht. Dazu wird in der NWG ein Verfahren zur Stratifizierung des Re-Identifizierungsrisikos von medizinischen Daten entwickelt.
Abbildung: Projektion der MeDIC Umgebung und Services an der Universitätsmedizin in Göttingen. Mit freundlicher Genehmigung von Frau Prof. Dr. Caroline Bönisch, Team-Mitglied der NWG von 2022-2024.
Daten müssen auch vor ungeplanten Veränderungen geschützt werden und Änderungen stets nachvollziehbar sein. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Methoden, Prinzipien und Systeme, die in der klinische Forschung bei der Zulassung von Medikamenten zum Einsatz kommen, wie beispielsweise das Audit Trail, angewendet. Blockchain Methoden zur Absicherung von Daten im Sinne eines Änderungskontrollprozesses werden bislang noch nicht im größeren Umfang genutzt. Die wenigen Arbeiten dazu kommen aus dem Umfeld der klinischen Studien oder der klinischen Pharmakologie. Deswegen sollen Blockchain Technologien für die Anwendung auf medizinische Daten in einem MeDIC geprüft werden.
Schließlich soll ein nutzerfreundliches System zur Analyse geschaffen werden, welches den Anforderungen der Multidimensionalität und auch der Mengengerüste gewachsen ist.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass die FAIR-Prinzipien im Hinblick auf Reliabilität erweitert, der intensive Einsatz von Änderungskontrollprozessen in einem MeDIC untersucht und ein Verfahren zur Quantifizierung des Re-Identifikationsrisiko entwickelt werden soll, um den Forschern qualitativ hochwertige und sichere Daten auf einer multimodalen Plattform zur Verfügung zu stellen.
Literatur
1. Wang SV, Schneeweiss S. Data Checks Before Registering Study Protocols for Health Care Database Analyses. JAMA. 2024, 331:1445-1446. doi: 10.1001/jama.2024.2988.
2. Carvalho T, Faria P, Antunes L, Moniz N. Fundamental privacy rights in a pandemic state. PLoS ONE. 2021 16: e0252169. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0252169
Weitere Informationen zum Göttinger MeDIC
Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe FAIRRMeDIC
PD Dr. Dorothea Kesztyüs
Universitätsmedizin Göttingen | Institut für Medizinische Informatik
Mitglieder der Nachwuchsforschungsgruppe FAIRRMeDIC
Horim Bae
Doktorand
Universitätsmedizin Göttingen